Seminar: Industrielle Anwendungen der Computeralgebra
Vortrag 2

Computeralgebra in der Analyse komplexer Informationssysteme
 
Die Idee ist, ein komplexes Informationssystem auf kombinatorische Weise zu analysieren, das heißt man möchte seine Strukturen in mathematischer Form erfassen und so Aussagen über sein Verhalten machen können. Die Theorie dazu läßt sich allgemein auf komplexen Systemen betrachten, die definiert sind durch endlich viele Agenten und den Interaktionen zwischen den einzelnen Agenten. So bildet zum Beispiel ein Schlachtfeld mit seinen militärischen Einheiten und deren Informationsaustausch untereinander ebenso ein komplexes System wie das Verkehrssystem einer Stadt mit seiner gesamten Infrastruktur und deren gegenseitige Einflußnahme.

Die in den siebziger Jahren von R.H. Atkin entwickelte Q-Analyse für solche Systeme ist hierbei äußerst vielversprechend, da sich vor allem, im Gegensatz zu etwa topologischen Ansätzen, ein Maß für den "Zusammenhang" zwischen den einzelnen Agenten angeben läßt. Es werden zur Topologie analoge Begriffe definiert, wie Zusammenhang bzw. Verbundenheit und Homotopie, um schließlich eine sogenannte A-homotopiegruppe zu erhalten, deren Struktur die des Systems wiederspiegeln soll.
Der Artikel "Combinatorial Homotopy of Simplicial Complexes and Complex Information Systems" von X.H. Kramer und R.C. Laubenbacher beschreibt einen Algorithmus zur Berechnung der A-homotopiegruppe ausgehend von einer simplizialen Familie. Dabei soll die simpliziale Familie das komplexe System beschreiben, worin sich allerdings das Problem ergibt, eine adäquate Interpretation für Zusammenhänge in komplexen Systemen der Realität zu finden. Leider gibt es dazu noch keine schriftlichen Ergebnisse, jedoch arbeitet Herr Professor Laubenbacher derzeit an einigen Veröffentlichungen zur Analyse komplexer Systeme, wobei mit weiteren Erkenntnissen zu diesem Problem zu rechnen ist. Die Computeralgebra spielt in diesem Algorithmus eine entscheidende Rolle insofern, daß eine Gröbner Basis für ein (zweiseitiges) Ideal einer freien assoziativen Algebra zu berechnen ist. F. Mora entwickelte dazu eine Vorgehensweise, die eine Erweiterung des Buchberger Algorithmus(*) darstellt, allerdings nicht notwendigerweise zu einem Ergebnis führt, sondern nur genau dann, wenn das Ideal auch eine Gröbner Basis besitzt. Unter den gegebenen Voraussetzungen des Algorithmus zur Berechnung der A-homotopiegruppe ist dies jedoch immer der Fall.

Insgesamt ist leider zu sagen, daß der im oben genannten Artikel beschriebene Algorithmus bereits überholt ist, da er für die komplexen Systeme der Realität zu umfangreich ist und so keine Anwendung findet. Man versucht mittlerweile dieses Problem mit einem Algorithmus in den Griff zu bekommen, der auf gruppentheoretischen Ansätzen basiert anstatt dem komplexen System eine nichtkommutative assoziative Algebra zuzuordnen. Ergebnisse von großem Potential für die verschiedensten Anwendungsgebiete sind hier wohl in den nächsten Jahren zu erwarten.
 

  • ein einfaches Beispiel zur Veranschaulichung von Definitionen und Notationen der Q-Analyse, die für den Algorithmus benötigt werden.



  • (*) die Datei besteht aus drei Seiten, wobei auf jeder Seite links eine Version des erweiterten Buchberger Algorithmus steht und rechts eine Version des Buchberger Algorithmus für Ideale von Ringen. Auf der ersten Seite finden sich die Algorithmen, so wie sie im Artikel bzw. in der Vorlesung angegeben wurden, auf den beiden folgenden Seiten Abänderungen davon, um ihre Parallelen hervorzuheben. (evtl. bei Viewer Seitenausrichtung auf Querformat umstellen!)

    zuletzt geändert: 23.06.1999